Mittendrin - unsere Reise in Nepal

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Persönliche Erfahrungen beim Erdbeben und Idee zur Spendenaktion "Häuser für Nepal"

Meine Reise in Nepal - von der Reiseleiterin zur Helferin

Als am 25.04. in Nepal die Erde bebte, war ich in Kathmandu und somit mittendrin. Ich wollte mit meiner Frauengruppe eine Trekkingtour nach Mustang machen und vier der Frauen waren am Morgen gerade erst voller Vorfreude gelandet. Das Erdbeben hat uns schwer durchgerüttelt, noch vor unserem offizellen Reisebeginn. Wir wollten gerade in die Altstadt gehen, als es plötzlich unter uns vibrierte und die Erde dann für eine gefühlte Ewigkeit anfing zu schaukeln und zu schwanken wie auf einem Schiff. Ich konnte das Gleichgewicht nicht halten und musste mich setzen – ausgerechnet vor eine hohe Ziegelmauer, die aber Gott sei Dank stehen blieb. Ich war völlig perplex und konnte keinen klaren Gedanken fassen, was hier gerade passierte.

Zum Glück hatten wir gute Schutzengel und blieben alle unversehrt. Auch unser Hotel Vajra hatte keine sichtbaren Schäden. Nach dem ersten Beben suchten wir einen möglichst sicheren Ort – der Gemüsegarten des Hotels wurde unsere Zuflucht für den Nachmittag und den folgenden Tag. Auf der Erde hockend haben wir die zahllosen heftigen Nachbeben miterlebt, jedes Mal kam die Angst wieder. Wir hörten Menschen in der Umgebung schreien und aufgeregt umherlaufen. Wir hatten großes Glück, an diesem sicheren Ort gut aufgehoben zu sein.
Am Abend wagten wir einen Rundgang durch die nahegelegenen Straßen. Die Stimmung war bedrückt, einige Häuser waren komplett eingestürzt, andere hatten Risse, Ziegelmauern waren umgefallen und viele Menschen saßen unter provisorischen Zeltplanen auf der Straße. Besonders erschütternd war der Anblick des eingestürzten vierstöckigen Gebäudes direkt neben der Brücke: die Stützen hatten versagt und die dicken Stahlbetondecken waren aufeinandergefallen wie bei einem Kartenhaus. In den Trümmern wurden über 40 Menschen vermutet. Verzweifelt versuchten einige Nepalesen, mit bloßen Händen in den schweren Trümmern zu graben, viele andere standen fassungslos daneben. Erst am nächsten Tag kam eines der internationalen Rettungsteams mit schwerem Gerät, um  nach Überlebenden zu suchen.
Während Tausende Menschen die ersten Nächte im Freien verbrachten, wurde uns vom Hotel versichert, dass die Gebäude erdbebensicher seien und wir drinnen schlafen können. Geschlafen habe ich trotzdem nicht - jedes Nachbeben war auch hier deutlich zu spüren. Und kaum, dass es hell war, saß ich wieder im Freien.

Die folgenden Tage waren für uns eine große Herausforderung. Einerseits war der Wunsch da, so schnell wie möglich aus dem Katastrophengebiet herauszukommen – aber der Flughafen war völlig überfüllt und wir hätten keine Chance auf einen schnellen Rückflug gehabt. Auf der anderen Seite gab es die leise Hoffnung, doch noch unsere Trekkingtour machen zu können. Mustang schien von dem Erdbeben kaum betroffen zu sein. Raj, unser Tourorganisator, und die Träger versicherten uns mehrfach, dass es möglich sei und sie die Tour gern mit uns machen wollten. Und dann war da auch der Wunsch zu helfen, bei dem was wir um uns herum Schreckliches mitbekommen haben. Ich las in der Zeitung, dass auch Touristen mit anpackten, um die Trümmer zu beseitigen – aber allein der Gedanke daran, mich oder „meine Frauen“ so dicht an die Gefahrenorte zu bringen, löste Panik aus. Wir mussten einen anderen Weg finden um zu helfen.
Hin- und hergerissen von den Optionen und der eigenen Unsicherheit fühlte sich der sichere Ort des Hotel Vajra bald an wie eine einengende „Blase“. Hier konnten wir nichts tun außer warten, und wussten nicht einmal worauf. Wir wollten raus aus dieser Erstarrung und entschieden uns, nach Pokhara zu fahren. Pokhara sollte weit weniger vom Erdbeben betroffen sein. Von dort würden wir weiter entscheiden.

Es tat gut, in Aktivität zu kommen. Aufgeregt stiegen wir in unseren Minibus und konnten gleich helfen, indem wir noch eine nepalesische Familie mitnahmen. Wie viele andere wollten sie von Kathmandu weg und zu ihren Verwandten, der öffentliche Transport aus Kathmandu heraus war völlig überfüllt. Zwölf Stunden dauerte die Fahrt – für gerade mal 200 Kilometer. In Kathmandu sahen wir viele eingestürzte Häuser, aber zum Glück auch viele Häuser, die unbeschadet aussahen. Die Aufräumarbeiten hatten schon angefangen und die Straßen waren voller Menschen. Der Zustand der Straße nach Pokhara war erstaunlich normal, aber neben der Straße gab es immer wieder eingestürzte Häuser und Menschen, die im Freien unter Plastikplanen saßen. Über fünf Stunden verbrachten wir im Stau vor der Abzweigung in Richtung Indien, da eine endlose Schlange aus leeren Bussen nach Kathmandu wollte, um die vielen in Kathmandu lebenden Inder „nach Hause“ zu holen. Im Dunkeln fuhren wir weiter und sahen, dass die Menschen sich alle draußen vor ihren Häusern zum Schlafen gelegt hatten. Einige schliefen unter Zeltplanen, andere unter den Vordächern ihrer Häuser. Plötzlich fiel mir ein, dass wir heute abend nicht in einem „erdbebensicheren“ Hotel schlafen würden – und die Unsicherheit kam wieder. Wie sah es in Pokhara wirklich aus? Sind wir hier sicher? Es war unheimlich, im Dunkeln in Pokhara anzukommen. Alle Geschäfte waren verschlossen, keine Menschen auf der Straße – und ich wusste nicht, ob das „normal“ war oder eine Folge des Erdbebens.

Nach einer durchwachten Nacht sah es am Morgen in Pokhara fast normal aus. Die schneebedeckten Berge strahlten uns an, das Leben auf der Straße machte den Anschein von Normalität. Es war ein komisches Gefühl – sollte hier wirklich Alltag sein, während nur hundert Kilometer entfernt der Notstand ausgerufen wurde?
Beim Frühstück im Hotel versuchten wir uns zu orientieren und so gut es ging zu entspannen. Es war Tag 3 nach dem Erdbeben. Pokhara war nahezu unbeschadet geblieben. Leichte Erdstöße spürten wir auch hier, aber das Leben lief normal. Am See saßen die Touristen in den Cafés, gingen shoppen oder machten Ausflüge. Einziges Anzeichen des Erdbebens waren die vielen privaten Hilfsprojekte auf der Hauptstraße, die Spenden sammelten und Hilfsgüter in Dörfer im Gorka-Distrikt brachten. Auch Raj hatte von Kathmandu aus schon angefangen, Zelte in mehrere Dörfer zu schicken – wir waren in ständigem Telefonkontakt mit ihm und er versorgte uns mit Informationen über die Lage in Mustang und Kathmandu.

Jetzt begann für uns eine neue Phase der Entscheidung. Laut auswärtigem Amt waren wir hier in Pokhara „an einem sicheren Ort“ – aber könnten wir es wagen, nach Mustang zu gehen, in die Berge, wieder weg von der Zivilisation? Spontan kam in der Gruppe die Idee auf, unseren Trek als Blog zu dokumentieren und damit Spendengelder für Nepal zu „erwandern“. Wäre das eine gute Möglichkeit, zu unterstützen? Oder sollten wir von hier auf schnellstem Wege nach Deutschland zurückkehren, vielleicht sogar auf dem Landweg über Indien? Für mich persönlich war es eine besondere Prüfung – hin-und hergerissen von meiner eigenen Angst nach dem bisher Erlebten, dem tiefen Wunsch in die Berge zu gehen, und der Verantwortung für die Sicherheit der Gruppe.
Ich hatte schon in Kathmandu angefangen, möglichst neutrale und verlässliche Informationen zu sammeln, zur Lage vor Ort, Nachbebenprognosen und Risiken. Mein Freund war für mich eine große Unterstützung  – von Berlin aus recherchierte und telefonierte er viel und schickte mir alle Informationen. Auch von anderen Freunden in Deutschland, die selbst schon in Nepal waren, holte ich mir Beistand. Natürlich gab es bei mir und den anderen Frauen auch viele angstvolle Nachrichten von Freunden und Familie, dass wir sofort nach Hause kommen müssten und es in Nepal katastrophal sei. Diese Art „Unterstützung“ war verständlich, aber für uns nicht wirklich hilfreich – hatten wir doch genug mit uns selbst zu tun.

Mit vielen Gesprächen über die Lage, unsere Befindlichkeiten und die Handlungsoptionen versuchten wir, uns Klarheit zu verschaffen. Dabei tauchten in der Gruppe auch unterschiedlichste Emotionen, Wünsche und Aufregungen auf. Ich wollte für alle Frauen gleichermaßen da sein und auch den „roten Faden“ für unsere Entscheidungen behalten, so dass diese Tage viel Kraft von mir erforderten.
Zwei Mal verschob ich unseren Flug nach Mustang in Abstimmung mit Raj - immer einen Tag weiter, weil wir mit unserer Entscheidung noch nicht so weit waren. Ich wollte jeder Frau die eigene Entscheidung ermöglichen und konnte doch für mich selbst keinen klaren Entschluss finden. Am Mittwoch, 4 Tage nach dem Erdbeben, wollten wir alle ein letztes Mal „ausschwärmen“, um Informationen einzuholen und dann eine abschließende Entscheidung zu treffen.

Oft kommt die Klarheit in unerwarteten Augenblicken – und so wusste ich beim Wäschewaschen am Nachmittag plötzlich ganz genau, was zu tun ist. Auch wenn die Entscheidung sehr wehtat.
Bei der Abstimmung am nächsten Morgen musste ich aber gar nicht viel sagen – die Gruppe entschied sich einstimmig dafür, die Reise abzubrechen und nicht nach Mustang zu gehen. Das Risiko wäre einfach zu hoch und mit all der Angst und Unsicherheit würden wir die Wanderung nicht genießen können. Wir holten die Träger zurück, sie waren schon nach Jomson vorgefahren. Wir verbrachten einen schönen Abend mit ihnen und es tat gut, ein bisschen ihrer typisch nepalesischen Unbeschwertheit zu genießen. Sie bekamen ihr Gehalt und das Trinkgeld für die Tour als Dank und erste Unterstützung – die meisten von ihnen hatten beim Erdbeben ihr Haus verloren.

Mehrere Frauen wollten so schnell wie möglich nach Deutschland zurück – die Erlebnisse hatten an den Nerven gezehrt. Wir konnten die Rückflüge für sie umbuchen, mussten aber trotzdem noch einige Tage in Pokhara verbringen.
Nachdem die „große Entscheidung“ gefallen war, kehrte etwas Entspannung bei uns ein. Wir wollten so gut es ging noch ein Gefühl von „Urlaub“ bekommen und machten Ausflüge um Pokhara. So wanderten wir zur Friedensstupa über dem See und erlebten die Friedlichkeit und Weite dort oben. Mit einem kleinen berührenden Ritual verabschiedeten wir unseren Wunsch, nach Mustang zu gehen – für dieses Mal. Auch die Behandlung im Ayurveda Health Home tat gut und ich konnte nach vielen Tagen endlich wieder Halt in meinen Füßen spüren. An einem klaren Morgen fuhren wir zum Sonnenaufgang nach Sarangkot und durften das majestätische und atemberaubende Bergpanorama erleben. Was für eine Schönheit, Ruhe und Kraft! Mich erfüllte tiefe Dankbarkeit, am Leben zu sein.
Ein besonderes Erlebnis war die Tour mit Thubten, einem in Pokhara lebenden Tibeter. Er führte uns durch die Siedlungen der tibetischen Flüchtlinge und gab uns bewegende Einblicke in ihr Leben und ihre Kultur. Wir durften bei einer Puja im Kloster teilnehmen und danach mit einem der Mönche reden, lernten die tibetische Medizin und die traditionelle Teppichherstellung kennen und waren bei tibetischen Familien zum Essen eingeladen. Wir erfuhren viel über das schwere Los der Exiltibeter in Nepal – aber auch über ihre tiefe Verbundenheit zum Buddhismus, der ihnen Kraft und Orientierung gibt. Es war sehr berührend, hier doch noch einen Hauch von dem zu finden, was wir dort oben in den Bergen erleben wollten!

Für mich selbst ging es jetzt verstärkt um die Frage, wie ich in Nepal sinnvoll helfen kann. Hier vor Ort und dann weiter von zu Hause. Davon wollte ich meinen Rückflug abhängig machen.

Hilfe für Nepal - Spendenaktion mit Raj Thapa

Raj hatte ja schon seit ein paar Tagen Zelte als Soforthilfe organisiert und in mehrere Dörfer geschickt - wir hatten zusammen mit unseren Portern beim Zusammenlegen der Planen geholfen. Raj wirbelte den ganzen Tag mit seinem Telefon umher, das nepalesische Kontakt-Netzwerk funktionierte hervorragend. Menschen aus den betroffenen Dörfern riefen ihn an oder schickten ihm Fotos, Raj machte sich ein Bild der Lage und schickte dann über die Porter oder Leute, die er aus dem Dorf kannte, die Zelte in die Dörfer. Meist dorthin, wo bisher noch keine Hilfe angekommen war. Gemeinsam listeten wir auf, wo er was hinschicken will, wo er die Güter kaufen kann und wie sie sicher in die Dörfer kommen. Schnell merkte ich, dass meine Hilfe beim Organisieren und Verteilen der Hilfsgüter nicht erforderlich ist, dafür scheinen die Nepalesen untereinander gut vernetzt zu sein.
Der Weg, wie wir momentan am besten unterstützen können, ist Geld zu geben. Mit den Spenden können die notwendigen Hilfsgüter vor Ort gekauft und in den betroffenen Dörfern verteilt werden.
Rajs Ziel ist es, an möglichst viele bedürftige Familien Blechdächer zu verteilen, damit sie in der bald einsetzenden Regenzeit ein festes Dach über dem Kopf haben. Gemeinsam mit Raj werde ich mir einige zerstörte Dörfer anschauen und vor Ort über die Lage berichten. Auch nach meiner Rückkehr nach Deutschland werde ich mit Raj in Kontakt beiben, Spenden sammeln und in einem Blog über seine Aktivitäten informieren.

2.000 Euro hat unsere Frauengruppe gleich vor Ort gespendet, so dass wir davon Dächer für 22 Häuser kaufen konnten. Auch Chris Mulzer aus Berlin hat über sein Netzwerk bereits Spenden gesammelt, mit denen Raj weiter helfen kann. DANKE an alle, die bisher schon gespendet haben!
Und DANKE an Raj für sein Engagement! Er macht das ehrenamtlich und wird genau über die Verwendung der Spendengelder berichten.

Bitte hilf mit deiner Spende, den Menschen in Nepal ein Dach über dem Kopf und wieder neue Hoffnung zu geben!
Hier geht’s zum Blog und zu den Spendenkonten: http://frauencoaching-berlin.de/nepalhilfe

VIELEN DANK für deine Unterstützung!

 

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